Wien/Linz. Es ist im wahrsten Sinn des Wortes in aller Munde. Wenn es um Trinkwasser und Wasserreserven geht, sind die Österreicher auf der Hut. Vor dem Hintergrund des Klimawandels und drohender Wasserknappheit sind Forderungen, einer Privatisierung von Wasser einen Riegel vorzuschieben, lauter geworden. Die SPÖ verlangt nun sogar eine verfassungsrechtliche Absicherung, wie der "Wiener Zeitung" am Freitag im SPÖ-Parlamentsklub erklärt wurde.
Schuld an der neuen Aufregung ist einmal mehr das längst legendäre Ibiza-Video. Darin hat Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) mit der vermeintlichen Oligarchen-Nichte auch locker ein Geschäft mit dem "weißen Gold" Österreichs angeboten. Während von Politikern - auch von Strache selbst - eine Privatisierung von Wasser entschieden abgelehnt wurde und wird, machte die Republik im Wege der österreichischen Bundesforste zumindest im Mini-Rahmen einen Wasserdeal mit einer Privatfirma, wie jetzt die Recherche-Plattform "addendum" minutiös darstellt. Die Grünen werden daher in einer parlamentarischen Anfrage im Bundesrat Aufklärung verlangen.
Alles dreht sich um eine Wasserabfüllanlage in der Gemeinde Obertraun nahe bei Hallstatt im oberösterreichischen Salzkammergut. Das wird vonseiten der Bundesforste der "Wiener Zeitung" grundsätzlich bestätigt: "Es ist ein Mini-Abfüllprojekt." Zugleich wird ausdrücklich betont: "Es ist keine Privatisierung."
Tatsächlich handelt es sich um einen Wassernutzungsvertrag. Demnach wird der Firma Alpine Water für 49 Jahre das Recht zur Wasserabfüllung eingeräumt samt Verlängerungsmöglichkeit auf 99 Jahre. Zwar ist die Wassernutzung auf Gebieten der Bundesforste keineswegs eine Besonderheit. Rund 2000 Anlagen im Bereich der Bundesforste, die mit der Republik als Eigentümer zehn Prozent der Fläche Österreichs bewirtschaften, dienen der regionalen Wasserversorgung.
Das Besondere an der Anlage in Obertraun, die seit 2017 in Betrieb ist, ist aber, dass hinter der Firma Alpine Water eine austro-amerikanische Unternehmerfamilie steht. Vorrangig in den USA wird das Wasser aus dem Salzkammergut um mehr als fünf Euro pro Liter verkauft. Schon unter der schwarz-blauen Bundesregierung gab es Probebohrungen, erst vor wenigen Jahren erfolgte schließlich die Unterzeichnung des Vertrags zur Wassernutzung.
Eigentümervertreterin bei den Bundesforsten ist derzeit noch Umwelt- und Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger, unter ihrem ÖVP-Vorgänger wurde der Vertrag von den Bundesforsten besiegelt. Im Büro der ÖVP-Politikerin wurde auf Anfrage der "Wiener Zeitung" allerdings sofort an die Bundesforste verwiesen.
"Trinkwasser schützen und sichern" stand erst Anfang Mai im Mittelpunkt einer parlamentarischen Enquete. Bei dieser hat Köstinger Privatisierungsbestrebungen eine Absage erteilt, die Versorgung müsse "in der Verfügungsgewalt der öffentlichen Hand" bleiben. Die damalige Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) sagte damals: "Eine Privatisierung oder Liberalisierung ist nicht vorgesehen."
Straches Äußerungen im Ibiza-Video aus dem Jahr 2017 zielen hingegen auf ein Geschäft für die Republik, aber auch für einen Investor. Dabei ist der Ex-FPÖ-Chef früher selbst gegen eine Wasser-Privatisierung aufgetreten.
Formal handelt es sich beim Wasserdeal in Obertraun um keinen Verkauf, sondern um ein - freilich jahrzehntelanges - Nutzungsrecht. Verkäufen im großen Stil schiebt das Gesetz für die Bundesforste einen Riegel vor, wonach strategische Wasserressourcen nicht verkauft werden dürfen. Außerdem wird bei den Bundesforsten betont, es handle sich jedenfalls um "kein strategisches Geschäft". Man will also nicht groß einsteigen. Es gebe derzeit auch kein weiteres Projekt.
Der stellvertretende grüne Bundeschef, der Oberösterreicher Stefan Kaineder, ist dennoch alarmiert. "Quellwasser in den Alpen ist sicher nicht dazu da, dass man es zu Spottpreisen an Unternehmen verpachtet, die damit Millionen machen." Der grüne Bundesrat David Stögmüller, der aus Oberösterreich kommt, wird nun die parlamentarische Anfrage zu den politischen Hintergründen des Wasserdeals einbringen.
Wasser ist ein Menschenrecht. Ohne Wasser ist kein Leben möglich und wir sind alle auf das so überaus wichtige Element angewiesen. Doch der Zugang zum Wasser wird immer weiter reguliert. Heimlich und schleichend werden Wasserrechte von Kommunen verkauft und private Investoren freuen sich über Zugänge, die langfristig zu Einnahmen führen können, gegen die sich die Bürger nicht wehren können.
Die EU-Kommission hat 2013 versprochen, die Wasserversorgung von der Privatisierung auszunehmen. Doch sie brach ihre Zusage, zuerst mit Griechenland. Griechenland müsse seine Wasserwerke in den neuen Privatisierungsfonds einbringen. Die EU-Vertreter haben – vor allem die Finanzminister Schäuble & Konsorten – auch noch Druck ausgeübt, damit das griechische Parlament dem Deal zustimmt. Ohne Wasser-Privatisierung keine neue Kredittranche – so die Drohung. Nach tagelangen Debatten knickte Athen ein.
Kein Monopol auf Trinkwasser!
Das Recht auf Wasser ist ein Menschenrecht – sollte man annehmen. Doch Nestlé-CEO Peter Brabeck macht kein Geheimnis daraus, dass Wasser in seinen Augen kein öffentliches Gut sein sollte, sondern auch einen Marktwert wie „jedes andere Lebensmittel“ benötige. In Algerien hat Nestlé die Wassernutzungsrechte erworben und lässt die Fabriken bewachen und einzäunen. In Pakistan das Gleiche. In diesen Ländern wird das Wasser angezapft und für viel Geld in Plastikflaschen wieder verkauft. Während die Bevölkerung keinen Zugang mehr zu diesem Wasser hat.
Sechs Milliarden Euro verdient die Schweizer Firma Nestlé mit ihren weltweit 73 Wassermarken. Die bekannteste heißt „Pure Life“ und wird vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern verkauft. Hier verhält sich Nestlé besonders perfide. Denn dort ist das Unternehmen dabei, weite Teile der Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser an sich zu reißen – zum Teil mit erschreckendem Erfolg. Da Trinkwasser dort schon jetzt ein knappes Gut ist, lockt es eine Reihe von Geschäftemachern an. Trinkwasser ist ein Grundbedürfnis und sollte jedem Menschen zugänglich sein. Nestlé jedoch strebt eine Monopolstellung für Trinkwasser an.
Profit mit fragwürdigen Geschäftstricks
Es ist purer Zynismus, wenn die von der Firma Nestlé in weiten Teilen der Dritten Welt vertriebene Wassermarke ausgerechnet „Pure Life“ heißt. In Südafrika wird diese Marke sogar mit dem Claim „Water you can trust“ beworben, also Wasser, dem du vertrauen kannst. Hier schließt sich ein Teufelskreis. Denn die Firma Nestlé sichert sich zunächst die Abfüllgenehmigungen für die reinsten und besten Quellen des Landes. Das übrige Wasser erreicht aufgrund von Umweltverschmutzung und anderen Faktoren vielfach keine Trinkwasserqualität. Diesen Umstand nutzt dann wiederum Nestlé, um sein Produkt „Pure Life“ als besonders vertrauenswürdige Alternative zu präsentieren.
Die Vereinten Nationen haben schon vor Jahren den Zugang zu sauberem Wasser zu einem menschlichen Grundrecht erklärt. Dies hindert allerdings Konzerne wie Coca Cola, Danone und Nestlé nicht daran, dieses Recht durch ihr Geschäftsgebaren in aller Welt mit Füßen zu treten.
Während die Weltbevölkerung weiter ansteigt, wird sauberes Wasser immer mehr zu einer Mangelware und Lebensmittelkonzerne profitieren von der steigenden Knappheit an sauberem Wasser, insbesondere in den Entwicklungsländern. Ein Riesengeschäft für Lebensmittel-Multis auf Kosten der Armen und Ärmsten. Vor allem in Ländern des Südens fehlt der Zugang zu sauberem Trinkwasser.
Privatisierung verläuft fast unbemerkt – wir werden erpressbar
Von der Öffentlichkeit fast unbemerkt, ist die Privatisierung der wichtigsten Ressource Wasser Tür und Tor geöffnet worden und längst bemächtigen sich Wirtschaftsunternehmen der immer knapper werdenden Ressource. Das Geschäft mit dem Wasser ist in vollem Gange. Vor einigen Jahren kauften Firmen wie Nestlé und Coca-Cola auch in Brasilien Gebiete auf, die reich an Wasserquellen sind.
Was für die einen zum Schicksal und Verhängnis wird, ist für die Anderen eine Goldgrube, die immer höhere Gewinne durch Verknappung verspricht. Wasser ist eine absolut unabdingbare Lebensgrundlage für Menschen, Tiere und Pflanzen. Wasser ist das wichtigste Gut auf unserer Erde und durch nichts in der Welt zu ersetzen. Ohne Wasser ist keinerlei Leben möglich. Wir sind zwingend auf Wasser angewiesen und in letzter Konsequenz müssen wir jeden Preis bezahlen. Mit anderen Worten: Wir sind erpressbar. Das sollte sich jeder ganz eindringlich vor Augen führen.
Auch in Deutschland wird das Wasser privatisiert
Durch eine öffentliche Ausschreibung der Wasserversorgung könnte sich der Konzern Nestlé auch in Deutschland und anderen Ländern Europas auf Jahrzehnte eine ähnliche Machtposition sichern, wie er sie in weiten Teilen der Dritten Welt bereits besitzt. Es ist eine Illusion, dass die Privatisierung eine Preissenkung für Wasser nach sich ziehen würde und das Leitungsnetz durch private Investitionen verbessert werden könnte. Denn Investitionen bleiben aus Profit- und Kostengründen aus. In einem Land ohne akute Wasserknappheit macht es aus wirtschaftlicher Sicht Sinn, Lecks zu tolerieren und somit Kosten zu sparen.
Wenn es um negative Folgen von Privatisierungen in der Wasserversorgung geht, werden immer wieder die Beispiele London und Berlin genannt. In London wurde 1989 die Wasserversorgung privatisiert; der deutsche RWE-Konzern stieg 1999 ein und verkaufte das uralte Wassernetz aus der viktorianischen Zeit 2006 weiter. Einerseits wurden in London ab den 90er-Jahren die Wasserentgelte erhöht, dringend nötige Erneuerungen und Wartungen der Rohre blieben aber aus, weshalb es zu Verunreinigungen des Trinkwassers kam und viel Wasser durch undichte Leitungen im Boden versickerte. In Berlin sind die Wasserpreise für Verbraucher nach der Privatisierung um 35 % gestiegen.
Ausverkauf des Menschenrechts Wasser durch die EU
Durch den Verkauf ihrer Wasserbetriebe können Städte und Gemeinden Milliarden einnehmen – doch der Widerstand der Bürger ist groß, der Sturm der Entrüstung bei vielen Bürgern der EU riesig. Trinkwasser werde zum milliardenschweren Spekulationsobjekt und den Kommunen und somit den Bürgern weggenommen, wurde befürchtet. Viele Menschen sorgten sich um die in der EU so streng geschützte kommunale Selbstverwaltung. EU-Rechtsvorschriften sollten die Regierungen jedoch dazu verpflichten, für alle Bürger und Bürgerinnen eine ausreichende Versorgung mit sauberem Trinkwasser sowie eine sanitäre Grundversorgung zu gewährleisten.
Die EU-Kommission ließ sich jedoch in den vergangenen Jahren nicht beirren. Wie wir bereits sahen, wurde in wirtschaftlich stark angeschlagenen Ländern wie Portugal und Griechenland wurde von der EU-Kommission, der Europäische Zentralbank dem Internationaler Währungsfonds (IWF) der Verkauf staatlicher Unternehmen angeordnet. Klagen der Bevölkerung über stark gestiegene Wasserpreise und zurückgehende Wasserqualität ließen nicht lange auf sich warten, bleiben jedoch ungehört.